Die OK-Jollen brachten zur Kieler Woche ein starkes Teilnehmerfeld an den Start. Foto: Sascha Klahn

Ein Segelfestival mit allen Facetten

Die Kieler Woche Regatta 2024 ging am Sonntag (30. Juni) nach 285 ausgesprochen abwechslungsreichen Segelwettfahrten zwischen Leichtwind und stürmischen Böen zu Ende. Dänemark unterlag auch beim Segeln knapp den Gastgebern in der Nationenwertung. Der Himmel weinte zum Abschluss der acht internationalen Bootsklassen, nachdem neun Tage überwiegend sommerlich warme, teils karibische Bedingungen vorherrschten. „Das war das neue Kieler Woche-Wetter“, strahlte Dirk Ramhorst nach zwei Dekaden im KiWo-Team, davon zehn als Chef, „und beste Werbung für 2025.“ Für die nächsten Jahre will der Organisationsleiter vor allem die diesmal fehlenden olympischen Foiling-Disziplinen begeistern und die Ansprache der internationalen Klassen verbessern. Dem pflichtete Regattaleiter Fabian Bach bei: „Wenn der Servicelevel auf den Bahnen und an Land erstklassig ist und bleibt, honorieren das die Aktiven aus dem In- und Ausland mit ihren Meldungen.“

Beste Beispiele für die Attraktivität der Kieler Woche waren mehr als hundert ILCA 7 im ersten Teil, mit Deutschlands Olympiamedaillenkandidat Philipp Buhl, der Zweiter wurde. Und in der zweiten Hälfte starteten 71 internationale OK-Jollen; der Sieg ging an den Schweden Niklas Edler. „In beiden Klassen haben wir den Teilnehmerwünschen nach Anzahl der Rennen und Lage der Regattabahn entsprochen“, so Bach, seit 15 Jahren in Kiel dabei und auch bei den Olympischen Segelwettbewerben in Marseille. Das gelinge nicht immer, solle aber weiter stetig optimiert werden. Auch das Segeln bis in die Abendstunden am Sonnabend, als das letzte J/70-Tagesrennen um 20.21 Uhr beendet war, sei „Dienst am Kunden, denn viele lieben das Festival der Kieler Woche, feiern aber in erster Linie das Wettsegeln.“

Das Event auf der „Meile“ im Schilkseer Hafenvorfeld kam großartig an, beim Publikum aus nah und fern genauso wie bei den Seglerinnen und Seglern. „Der Umbau des Geländes mit der großen Bühne der Audi Sailing Arena im Zentrum hat sich etabliert“, resümierte Sven Christensen von der Event- und Marketingagentur Point of Sailing, die für den Kieler Yacht-Club die Kieler Woche-Regatta vermarktet. Auf der Bühne zeigte KielerWoche.TV täglich Rennen von der Medienbahn live, nachmittags unterhielten und informierten Partner und Sponsoren die Gäste, abends gab’s Livemusik, an der sich Aktive und Fans gleichermaßen erfreuten. Nicht nur zum Segelfeuerwerk am Mittwoch und der Coverband United Four am Tag darauf stimmten viele tausend Menschen mit den Füßen ab.

Rockten die Bühne in der Audi Sailing Arena: United Four. Foto: Sascha Klahn

Elf verschiedene Länder spiegelten internationale Vielfalt in der Liste der Medaillengewinner der acht internationalen Klassen des zweiten Teils wider. Die Nationenwertung über alle neun Tage gewann Deutschland knapp vor Dänemark. Die größere Breite über alle 16 Bootsklassen gab mit vier Gold-, vier Silber- und fünf Bronzemedaillen den Ausschlag für die Gastgeber. Die Dänen gewannen im Wochenverlauf ebenfalls vier Titel, kamen insgesamt aber „nur“ auf zehn Podiumsplätze. Doch es waren nicht nur die Heimnation und das Nachbarland, die das Geschehen bestimmten. Aus ganz Europa waren Medaillenvertreter dabei – und selbst die weitgereisten Athleten aus Thailand, Australien und Neuseeland waren mit jeweils einer Top-Drei-Platzierung im Medaillenspiegel vertreten.

In der größten Einheitsklasse der Kieler Woche, im gemischten Feld von Männern und Frauen der ILCA 6, zeigte die Finnin Monika Mikkola, was olympische Niveau ist. Bereits ein Rennen vor Abschluss hatte sie die Serie gewonnen, doch sie blieb auf dem Wasser und segelte auch noch das finale Rennen. Damit hatte sie in den vergangenen neun Tagen 20 Wettfahrten bestritten, denn schon im olympischen Teil war sie dabei.

Morten Ben Borchardt aus dem Kieler Internat wurde im ILCA 6 open bester Deutscher bei der Kieler Woche. Foto: Sascha Klahn

Ihr Wunschzettel für die Tage danach war schnell erklärt: „Zwei Tage nur essen und schlafen.“ Die Kieler Woche dient ihr als Vorbereitung für die Olympischen Spiele und forderte sie vielfältig: „Der olympische Part war hart und der internationale vor allem mental herausfordernd.“ Beeindruckend war der Kampfgeist der 28-Jährigen. Selbst nach einem schwachen Start arbeitete sie sich immer wieder in eine Top-Platzierung nach vorn und gewann schließlich vor dem Neuseeländer Zach Stibbe und dem ehemaligen Opti-Weltmeister Weka Bhanubandh aus Thailand. Bester Deutscher wurde Morten Ben Borchardt vom Kieler Yacht-Club auf Rang fünf.

In der ILCA-Einstiegsklasse 4 legte der Schweizer Jean Glauser einen Start-Ziel-Sieg hin. Er startete mit Platz eins in die Serie und hörte mit einem Tagessieg auf, um insgesamt seinen Landsmann Tristan Schnitzer und den Norweger Henrik Birkeland Westby auf die folgenden Plätze zu verweisen.

In den Trapez-Jollenklassen setzten sich weitere Gäste aus den europäischen Ländern in Szene. Im Flying Dutchman erwehrten sich die Rekordweltmeister Szabolcs Majthenyi/Andras Domokos aus Ungarn den Angriffen der amtierenden Weltmeister Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Hannover) sowie der WM-Dritten Kilian König/Johannes Brack (Hannover). „Vielen Dank an die deutschen Teams, die uns mit Teamwork unter Druck gesetzt haben. Das hat uns gepusht“, sagte Majthenyi. Er hatte den Erfolg vor der finalen Wettfahrt sicher. Die deutschen Verfolger verzichteten damit auf die letzte Wettfahrt. König/Brack gewannen damit Kieler Woche-Silber vor Lüdtke/Schäfers.

Die ungarischen Seriensieger im Flying Dutchman, Szabolcs Majthenyi und Andras Domokos, waren auch 2024 bei der Kieler Woche das Maß aller Dinge. Foto: Christian Beeck

Im Contender war die Situation dagegen selbst bei der Ankunft an Land noch unübersichtlich. „Ich hab gewonnen? Ist das sicher?“, fragte Jesper Armbrust ungeachtet der Glückwünsche nach. Max Billerbeck (Kollmar) hatte ihn am Schlusstag noch mal unter Druck gesetzt. Doch schließlich ging der Sieg nach Dänemark. Und auch auf Platz drei stand mit Sören Dulong Andreasen ein Däne. „Ich liebe die Kieler Woche“, konstatierte Armburst, „die Party und das Geschehen auf dem Wasser.“

Am Schlusstag der Kieler Woche verbesserte sich der Kollmarer Max Billerbeck im Contender noch von dritten auf den zweiten Podiumsplatz. Foto: Christian Beeck

Dem konnte sich der Schwede Niklas Eder nur anschließen. Seit 25 Jahren ist er immer wieder bei der Kieler Woche am Start – zunächst im Laser, jetzt in der OK-Jolle. Auf dem Treppchen hat er noch nie gestanden. Jetzt schaffte er es – und dann noch ganz oben. „Das war eine großartige Kieler Woche mit sehr unterschiedlichen Bedingungen. Die Konstanz war der Schlüssel zum Erfolg. Ich habe immer versucht, sichere Rennen auf gutem Niveau zu fahren. Das ist mir gelungen.“ Hinter ihm reihten sich Steen Christensen (Dänemark) und Benjamin Hammerö (Schweden) ein.

Einen Zweifacherfolg für Dänemark gab es bei den J/70. Kim Christensen ließ sich trotz eines Patzers in der letzten Wettfahrt das Kieler Woche-Gold nicht mehr nehmen. Er gewann mit seiner Crew vor Landsmann Frederik Hvalsö und Kai-Uwe Hollweg aus Bremen. Für die deutschen Erfolge sorgten am Abschlusssonntag die J/24 und die 2.4mR. In der J/24 gab es sogar ein komplett deutsches Podium. Fritz Meyer siegte vor Stefan Karsunke und Manfred König. Alle drei Crews kommen aus Hamburg, wo die einstmals größte Kielboot-Klasse weltweit stark vertreten ist.

Julian Ramm und seine Crew der J/70 „Voice of Itzehoe” verpassten das Podium der Kieler Woche und wurden Sechste. Foto: Christian Beeck

Der Sieg in der 2.4mR für Heiko Kröger (Hamburg) zeigt, wie perfekt der nun 15-malige Kieler Woche-Sieger auf die Weltmeisterschaft in vier Wochen an gleicher Stelle vorbereitet ist. Im vergangenen Jahr holte sich der 58-Jährige das WM-Gold, jetzt will er den Triumph im August vor Kiel wiederholen. An ihm wird kein Weg vorbeiführen. Beleg für diese These? Mit neun Siegen in elf Rennen sowie zwei zweiten Plätzen sorgte Kröger für den klarsten Sieg während der gesamten Kieler Woche. Er triumphierte über Megan Pascoe (Großbritannien) und Davide di Maria (Italien) und verdiente sich auch die Kommodore-Schale der Kieler Woche. Kröger: „Ich habe alles gegeben und mir zum Schluss sogar noch eine Rippe geprellt, als ich die wackelige Ruderanlage reparieren wollte. Nach 25 Jahren habe ich das schnellste Setup gefunden. Das Boot läuft nicht nur, das rennt.“