Kampf um WM-Gold und eine der ältesten Segeltrophäen der Welt
Sie haben ein besonderes Aussehen, eine ungewöhnliche Entstehung und bringen eine der ältesten Segeltrophäen überhaupt nach Travemünde: Mit der Weltmeisterschaft der International Canoe (IC) hat die 135. Travemünder Woche (19. bis 28. Juli 2024) eine Regatta zu bieten, wie sie nur ganz selten in Deutschland ausgetragen wird. Segler aus den USA, Australien und ganz Europa werden erwartet, wenn es in der speziellen Klasse vom 22. bis 27. Juli um WM-Gold sowie im Team-Wettbewerb um die New York Canoe Club Challenge Trophy, die wohl zweitälteste Trophäe im weltweiten Segelsport, geht.
Die Ursprünge der IC-Klasse gehen in die 1860er Jahre zurück. Damals bestückte der schottische Reise-Schriftsteller John MacGregor sein Kajak mit einem Rigg, paddelte und segelte mit seinem „Rob Roy“ genannten Gefährt über die Flüsse und Seen Europas. MacGregor gründete später den weltweit ersten Kanusportverein und gilt als der Urvater des Kanusports.
Von Europa schwappte die Idee des segelnden Kanus in die USA hinüber. Am Lake George im Staate New York, östlich der großen Seen, gründete sich 1880 der amerikanische Kanuverband. Zu den Events kamen auch Kanadier, und aus den Ereignissen für Touren-Kanuten wurden immer mehr Wettbewerbe, in denen sich die Sportler im Paddeln und Segeln beweisen mussten.
Diese ersten Wettbewerbe mündeten schließlich 1886 in einem Nationen-Wettkampf um die New York Canoe Club Challenge Trophy. Die Segler traten in verschiedenen, segelnden Kanus gegeneinander an, so dass Regatta nicht nur ein sportlicher Wettstreit, sondern auch einer der Bootskonstrukteure wurde.
Die Regeln legten fest, dass eine erneute Austragung um diese Trophy im Land des Titelverteidigers gegen eine Herausforderer-Nation gesegelt wurde – ganz nach dem Vorbild des America’s Cup, der ältesten Segeltrophäe der Welt, die erstmals 1851 ausgetragen wurde. Bis 1914 konnten die USA den Cup verteidigen, dann ging er nach England. Seitdem wandert er zwischen England und den USA hin und her. Nur jeweils einmal konnten sich Schweden (1974) und Australien (2008) den Pott schnappen.
Inzwischen wird die Trophy im Rahmen der Weltmeisterschaft ausgetragen – und zwar am WM-Ruhetag. Vor Travemünde wird die Trophäe in ihrer 138-jährigen Geschichte nun zum 30. Mal vergeben. Und die Deutschen wollen erstmals ins Geschehen eingreifen. Denn während die Briten als Titelverteidiger für das Rennen gesetzt sind, muss der Herausforderer noch ermittelt werden. Alle vertretenen Nationen der International Canoe haben die Chance, sich an den ersten WM-Tagen in einer Team-Wertung für das Duell mit Großbritannien zu empfehlen. Jeweils drei Boote gehen dann in die Regatta über maximal drei Wettfahrten. Nur der Sieger punktet. Und das Team mit zwei Punkten gewinnt.
Die New York Canoe Club Challenge Trophy soll zur Travemünder Woche auf dem Media Race Course dicht unter Land gesegelt werden, so dass die Wettfahrten von den Zuschauern zu sehen sind. Dann kann man auch das außergewöhnliche Design der Boote bestens beobachten. Denn die Rumpfform ist immer noch mit dem Kanu verwandt. Der schmale Rumpf läuft vorn und hinten spitz zu.
Lange war die Unterwasserform ein einheitliches Design – inzwischen sind die Konstruktionsmöglichkeiten hier freier. An Deck konnten die Eigner schon immer experimentieren. So haben sich zum Ausreiten individuell angepasste Schlitten entwickelt, die bei jedem Manöver auf die andere Seite schwingen und die Athleten somit weit außerhalb des Rumpfes sitzen lassen. Damit wird ein aufrechtes Segeln der kippeligen Jolle ermöglicht.
„An den Jollen erkennt man immer noch die historische Herkunft vom Kanusport“, berichtet Emma Grigull von der deutschen Klassenvereinigung. Die Segler sind im Kanuverband eine eigene Disziplin, gehören aber auch dem Deutschen Segler-Verband an. „Inzwischen sind wir mehr beim Segeln angesiedelt, da wir in den Vereinen die gleiche Infrastruktur nutzen wie die Segler der anderen Klassen.“ Und natürlich gibt es mehr fachlichen Gesprächsstoff mit den Seglern als mit den Kanuten. „Paddel haben wir keine mehr“, so Emma Grigull.
Die Maße der Klasse sind mit 5,20 Meter Länge und einer Breite von 0,80 bis 1,00 Meter festgelegt. Dazu haben Vor- und Großsegel eine Fläche von insgesamt 10,0 Quadratmetern. Das Gewicht der ehemaligen Einheitsklasse lag bei 84 kg (segelfertig). Die neuen Designs müssen nun nur noch 54 kg wiegen. Zwischenzeitlich wurden die IC auch mit Gennakern ausgestattet. Doch diese AC-Version wird kaum noch in Regatten gesegelt. Dagegen wird inzwischen eine weitere Neuerung erprobt. Die Klasse hat am Ruder Foils erlaubt. Und mit diesen Unterwasserflügeln seien deutlich höhere Geschwindigkeiten zu erzielen, sagt Emma Grigull. „Wenn man die Foils denn beherrscht.“
Sie selbst will zur WM damit segeln – genauso wie ihre nationalen Kollegen Simon Beers und Niklas Steimann. Damit könnten die Deutschen den internationalen Stars auf der Bahn Paroli bieten. „Die WM-Favoriten kommen aber aus den USA und England. Der viermalige Weltmeister und Titelverteidiger Robin Wood aus England ist zwar nicht mehr dabei, aber sein Siegerboot schon. Sein Landsmann Dan Skinner hat es gekauft und kommt nach Travemünde“, so Grigull. Aus Deutschland rechnet sie Peter Ullmann gute Chancen zu, in die Medaillenränge zu fahren. Der Mann vom Zwischenahner Meer gewann 2011 WM-Silber – damals ebenfalls im Rahmen der Travemünder Woche.
Insgesamt werden 30 bis 35 Teilnehmer erwartet. Für die International Canoe soll es eine Rückkehr zur Normalität werden. Denn die letzte WM liegt bereits sieben Jahre zurück. Eigentlich wird sie im Drei-Jahres-Rhythmus ausgetragen. Doch erst machte Corona der Klasse einen Strich durch die Rechnung, und dann platzte wegen der explodierten Transportkosten die WM in Australien. Zur Travemünder Woche, wo die IC vor drei Jahren ihren Euro Cup segelten, soll nun der WM-Neustart gelingen.