Kieler Woche lockt Teilnehmer aus 53 Nationen
Die Internationalität und inklusive Diversität sind und bleiben ein herausragendes Markenzeichen der Kieler Woche. Auch im Olympiajahr 2024 haben beim Hauptveranstalter Kieler Yacht-Club Aktive aus 53 Nationen ihren Start in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins angezeigt. Stärkste olympische Klasse (22. bis 26. Juni) ist die ILCA 7 mit Ex-Weltmeister Philipp Buhl aus Sonthofen und 120 Gegnern in der Einmannjolle, darunter seine starke internationale Trainingsgruppe. In der (geschlechter-)offenen, baugleichen ILCA 6 im zweiten, internationalen Teil (27. bis 30. Juni) sind es 175. Das wird nur noch von der traditionellen Aalregatta der seegehenden Schiffe getoppt. 194 wollen gleich zum Auftakt am ersten Sonnabend aus der Innenförde nach Eckernförde um die Wette segeln.
„Die Kieler Woche ist ein willkommenes Heimspiel und bleibt für uns gesetzt“, sagt ILCA-7-Bundestrainer Alexander Schlonski, „auch kurz vor Olympia ist ein Top-Wettkampf wertvoller als Reviertraining.“ Schließlich gebe es in der baugleichen Einmannjolle ja auch kein Material zu testen. Nach einer hochklassigen Olympiaausscheidung, die der zweimalige Olympiateilnehmer Buhl gegen den besten Nachrücker Nik Aaron Willim für sich entschied, führt Schlonski einen breiten Kader nebst Anwärtern, „der das nationale Niveau in der Klasse für die nächsten zehn Jahre in Deutschland sichern dürfte“.
Der in der Qualifikation unterlegene Schleswiger Willim, der längst am DSV-Bundesleistungszentrum in Schilksee zuhause ist, blickt bereits voraus nach Los Angeles 2028. „Ich habe lange überlegt, ob ich noch vier Jahre weitermachen soll“, so der 27-jährige, „aber jetzt aufzuhören, wo ich bei der Weltspitze der Top Ten anklopfe, kommt dann auch nicht in Frage.“ Nach seinen Bachelor-Arbeit will er zehn Monate nach Belgien zum Masterstudium über nachhaltige Innovationen gehen. Aber „erstmal die Kieler Woche genießen, die ist immer ein tolles Highlight“.
Genauso sieht es Medaillenaspirant Philipp Buhl: „Die Endphase der Vorbereitung gibt mir ein sehr gutes Gefühl. Ich schöpfe jede Woche immer neue Motivation für das große Ziel in Marseille und will auch die Kieler Woche auskosten.“ In Kiel trifft er auch auf seine Sparringspartner Herrmann Tomasgaard aus Norwegen, der in Enoshima vor drei Jahren auf dem Olympiatreppchen stand, und den Franzosen Jean-Baptiste Bernaz, Weltmeister vor zwei Jahren.
Eher exotische Nationenkürzel von AFG über ESA, LCA und SAM zu ZIM lassen die Takelmeister tief ins Archiv der Landesflaggen greifen, die das Olympiazentrum Schilksee neun Tage schmücken werden. Angeführt auch in der alphabetischen Reihenfolge von Afghanistan gingen Einzelmeldungen aus El Salvador (ESA) und St. Lucia (LCA) sowie Guatemala, Indien, Luxemburg, Marokko, Mexiko, Malta, Singapur, Slowenien, Tunesien sowie last but not least Simbabwe (ZIM) ein. Von den Samoainseln nördlich von Neuseeland kommen sogar zwei – wobei Vaimo’Oi’a Ripley vom Apia Yacht Club im ILCA 6 zweimal an den Start geht, erst olympisch dann international. So lohnt sich die weite Reise richtig.
Das stärkste Aufgebot mit weit mehr als der Hälfte aller Wasserfahrzeuge kommt wenig überraschend aus dem Gastgeberland traditionell gefolgt von Dänemark (85) knapp vor Schweden (82). Die Absage der iQFOiL-Konkurrenz sowie der Nacra 17 und der Europe ließ sich jedoch nicht vermeiden. „Die Terminenge rund einen Monat vor den olympischen Segelwettbewerben bedeutet auch für uns eine Herausforderung, der wir aber überwiegend mit sehr stattlichen Meldezahlen Paroli bieten“, sagt Regattaorganisationsleiter Dirk Ramhorst.
Dass die Kieler Woche ein Magnet für den Spitzensegelsport bleibt, beweisen etliche Namen. Auch wenn der Start der amtierenden Weltmeisterin und Olympiasiegerin Anne-Marie Rindom (Dänemark) noch fraglich ist, die Schweizer Vizeweltmeisterin von 2023, Maud Jayet, hat genauso gemeldet wie die Berlinerin Julia Büsselberg, die nach erfolgreicher Nationenqualifikation noch auf ein Olympiastartplatz per Härtefallentscheidung hofft. Weltmeisterlich dekoriert wird das Feld in der inklusiven 2.4mR-Klasse von Titelträger Heiko Kröger aus Ammersbek und seiner Vize Meagan Pascoe (Großbritannien), die sich im August ebenfalls vor Schilksee mehr als einen Zweikampf um die neuen WM-Ehren liefern dürften.
Mitfavoritin im Eurocup der 29er, für den 140 Crews aufgeführt sind, ist die polnische Jugendweltmeisterin der Mädchen, Ewa Lewandowska, die nun mit Vorschoter Krzysztof Królik segelt. Auch die Youth-WM-Dritten Boróka und Szonja Fehér aus Ungarn wollen dabei sein. Deren Landsleute, die FD-Rekordweltmeister und amtierenden Vizeweltmeister Szabolcs Majthenyi/Andras Domokos stehen ebenso auf der Meldeliste wie die Vorjahressieger, amtierenden und Weltmeister 2022, Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Hannover).
KielerWoche.TV überträgt täglich live von der Medienbahn, angefangen mit den 49er-FX-Frauen zum Auftakt. Es folgen die 49er (Sonntag), ILCA 7 (Mo), ILCA 6 (Di) und Medal Races. Ab Donnerstag werden die OK-Jollen mit mehr als 80 am Start gezeigt, gefolgt von ILCA 6 (open) und J/70. Zum Abschluss am zweiten Sonntag sind die Rennen des Wingfoil-Coaching- und Demo-Events geplant. Die Übertragungen laufen nicht nur auf der Großbildleinwand hinter der Bühne der Audi Sailing Arena und den Videoschirmen auf dem gesamten Hafengelände, sondern auch im Internet.
Weil Kiel nicht nur das vielbeschriebene Mekka des Segelsports ist, sondern Schilksee eben auch Olympiastützpunkt des Deutschen Segler-Verbands (DSV), plant der Verband zur Halbzeit eine Vorstellung und Verabschiedung seiner Olympiamannschaft für die Spiele von Paris. Bevor am Mittwochnachmittag nach den Medaillenrennen die Kieler Woche-Champions 2024 geehrt werden, stehen ab 16 Uhr die deutschen Aktiven für Marseille auf der Bühne der Audi Sailing Arena und anschließend für Autogramme und Selfies bereit. In acht von zehn Disziplinen gilt die Nominierung durch den DOSB als sicher, darunter auch die Tickets für die Lokalmatadoren und Bronzemedaillengewinner von Japan, Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer (Nacra 17-Kat).
Ihre große Heimatverbundenheit unterstreicht die Stranderin Susann Beucke am Sonnabend (22. Juni). Ihre olympischen Lorbeeren hatte sich „Sanni“ ebenfalls vor drei Jahren mit „Silber“ im 49erFX verdient und dann dem Hochseesegeln gewidmet. Zwischen zwei Figaro-Regatten wird sie vormittags im Helly-Hansen-Zelt eine Autogrammstunde geben, ihre neue Autobiografie Gegen den Wind“ signieren und einen Vortrag für den Segelnachwuchs halten.
Nachmittags geht die dann 33-Jährige als Schirmherrin mit dem inklusiven BAT Sailing Team aufs Wasser segeln. Letzteres wird erneut mit sehbehinderten und hörgeschädigten Crews in der internationalen J/70-Klasse antreten. Diesen Erfolg allein des Dabeiseins können Nicht-Behinderte kaum ermessen. Die Integration ist längst mehr als nur eine bedeutende Facette der Kieler Woche. So wie deren Ursprung, die Marinekutterregatta mit mehr als 1.400 Matrosinnen, Matrosen und Gästen ein funkelnder Mosaikstein der schönsten und längsten Woche des Jahres im Land zwischen den Meeren ist.