KiWo-Silber für Buhl nach Finalkrimi
Die fünf Kieler Woche-Siege in den olympischen Segelbootsklassen gehen nach Dänemark, Frankreich, Polen, die Ukraine und Deutschland. An Dramatik kaum zu überbieten war das finale Medaillenrennen der ILCA 7, in dem Olympiahoffnung Philipp Buhl (Sonthofen) am Mittwoch (26. Juni) von Rang vier gestartet bis kurz vor dem Ende Gesamtgewinner war, sich letztlich aber immerhin mit „Silber“ hinter seinem Sparringspartner Jean Baptiste Bernaz aus Frankreich belohnte. Einen Heimsieg feierten Inga-Marie Hofmann/Jill Paland (Düsseldorf/Hamburg) im 49erFX. Fünf hochspannende Finalrennen mit dreieinhalb Stunden packender Positionskämpfe und Manöver begeisterten das Publikum bei leichter bis mittlerer östlicher Brise und wolkenlosem Himmel auf dem Wasser und vor den Livebildschirmen von KielerWoche.TV.
Den Showdown der ILCA-7-Segler hatte die Regattaleitung dramaturgisch vorausschauend als fünftes und letztes Rennen terminiert. Und es schien, als hätte Hitchcock das Regiebuch geschrieben. Deutschlands As Philipp Buhl hegte noch Hoffnungen, von Rang vier aufs Podium zu springen. Doch kurz vor Schluss hatte er sogar die Hand am „Gold“, das eigentlich schon fest an seinen Trainingspartner, den Franzosen Jean Baptiste Bernaz, vergeben schien.Doch der Franzose rutschte im Nervenspiel des leichten Windes immer weiter nach hinten, während es Buhl bei ungeliebten Bedingungen gelang, sich Platz um Platz nach vorn zu arbeiten. Auf dem letzten Vorwindkurs war der vermeintlich große Punktevorsprung von Bernaz aufgebraucht. Buhl steuerte sein ILCA-7-Dinghy als Zweiter über die Linie, Bernaz war plötzlich Vorletzter. Die Entscheidung fiel auf der Ziellinie – zugunsten des Franzosen, aber ohne sein Zutun.
Der Australier Zac Littlewood und der Niederländer Willem Wiersema lieferten sich ein Halsen-Duell. Littlewood luvte am Ziel an und berührte Wiersema. Beide wurden schließlich von der Jury mit einem Penalty belegt und fielen damit noch hinter Bernaz zurück. Damit strahlte das Trainingstrio Jean-Baptiste Bernaz, Philipp Buhl und Hermann Tomasgaard (Norwegen) in dieser Reihenfolge über Gold, Silber und Bronze. „Dass ich die Kieler Woche gewonnen hatte, habe ich erst auf der Anzeigentafel gesehen. Es waren sehr trickreiche Bedingungen während der gesamten Regatta, aber großartig“, freute sich der siegreiche Franzose.
Von Philipp Buhl kam ein aufrichtiger Glückwunsch: „JP hat die Kieler Woche verdient gewonnen. Es war sicher nicht sein bestes Medal Race, aber über alles war er der Beste. Ich freue mich über mein gutes Finale, dadurch kann ich mit einem guten Gefühl aus der Woche herausgehen. Und natürlich ist es super, dass wir als Trainingsgruppe alle drei auf dem Podium stehen.“
Ohne Veränderungen auf den Medaillenplätzen schlossen die 49erFX-Skiff-Frauen die Kieler Woche ab. Hier durfte Team Deutschland feiern. Inga-Marie Hofmann/Jill Paland (Düsseldorf/Hamburg) kamen zwar schlecht aus dem Startblock, segelten sich dann aber durch das Feld und holten sich mit einem dritten Platz im doppelt gewerteten Medal Race der besten zehn Teams den souveränen Gesamtsieg. „Super! Hier zuhause zu gewinnen, macht es doppelt cool“, sagte Jill Paland, die „Gold“ mit Steuerfrau und Freunden abends auf dem Festival in der Innenstadt feiern will.
Die Norwegerinnen Pia Dahl Andersen/Nora Edland hatten trotz ihrem zweiten Platz im Finale keine Chance mehr auf den Sieg, hielten aber die weitere deutsche Flotte mit vier Crews auf den Rängen drei bis sechs auf Distanz. Bronze ging an Katharina Schwachhofer/Elena Stoltze vom Bodensee.>
Der Kampf um das Kieler Woche-Gold im 49er, dem Olympia-Skiff der Männer, war bereits mit dem Start entschieden. Die Führenden des Klassements, Frederik Rask/Jakob Precht Jensen (Dänemark), gerieten mit dem einzigen Team, das ihnen noch hätte gefährlich werden können, kurz nach dem Startsignal in Clinch. Die Dänen kamen nach einer Wende in die Vorfahrtposition, Team Malta mit Richard Schultheis/Youenn Bertin konnte nicht ausweichen. Die Jury verhängte einen Penalty gegen die Zweitplatzierten, die damit hoffnungslos hinter dem Feld zurücklagen und keine Chance mehr auf den Sieg hatten.Zwar konnten die Dänen in dieser Wettfahrt kein Top-Resultat mehr abliefern, aber es reichte zum lockeren Gesamtsieg vor den Polen Tytus Butowski/Borys Podumis und Schultheis/Bertin. „Wir wollten eigentlich nicht in den Infight gehen, sondern unser Rennen fahren“, sagte Frederik Rask, und sein Vorschoter ergänzte: „Aber dann ist es doch passiert mit dem Team Malta, auf die wir natürlich ein Auge hatten. Solche Situationen gehören eben zu unserem Sport.“
Nach der verlorenen Olympia-Ausscheidung in Dänemark ist der Kieler Woche-Sieg für Rask/Precht-Jensen zwar keine Entschädigung, aber doch eine Bestätigung ihrer Klasse. Die Malteser waren naturgemäß nicht glücklich mit der Situation am Start, die sie noch von Gesamtrang zwei auf drei zurückwarf: „Wir haben versucht, es möglichst einfach zu halten. Aber mit dem Penalty war es quasi unmöglich, wieder zurückzukommen“, sagte der Deutsch-Malteser Richard Schultheis.
Für das deutsche Interims-Duo Fabian Rieger/Linov Scheel, die beide mit anderen Partnern an der Olympiahürde gescheitert waren, reichte es trotz eines steilen Aufstiegs in den vergangenen Tagen nicht mehr ganz zur Kieler Woche-Medaille. Sie mussten sich mit Rang vier begnügen.
Ein dichtes Gedränge zwischen den Kontrahentinnen gab es im Finale der ILCA 6 schon vor dem Start. Sowohl die führende Polin Agata Barwinska als auch die zweitplatzierte Anna Munch (Dänemark) positionierten sich im Pack hinter dem Startboot. Eine denkbar schlechte Position, denn weder kam der Wind durch, noch war der Weg auf den Kurs frei. Agata Barwinska versuchte mit viel Körperarbeit, Fahrt aufzunehmen, kassierte dafür einen Strafkringel von der Jury. Und Anna Munch blieb am Startschiff hängen. So gingen die beiden auf den hinteren Rängen auf den Kurs, konnten sich auch nicht mehr nach vorn arbeiten. Für Barwinska war es aufgrund der großen Punktabstände egal. Sie holte Gold, Anna Munch wiederum rutschte noch hinter Mara Stransky (Australien) auf den Bronzerang zurück.
Dieses spezielle Matchrace auf den hinteren Plätzen des Medal Race absolvierten Barwinska und Munch mit einem Lächeln. „Meine Taktik war, Anna hinter mir zu lassen. Wir waren dann ganz hinten, haben es aber genossen“, sagte Barwinska, die ihren zweiten Kieler Woche-Sieg feiern konnte: „Kiel hat einen speziellen Platz in meinem Herzen. Und die Regatta war die beste Vorbereitung für die Olympischen Spiele. Ich fahre nun mit viel Selbstvertrauen nach Marseille.“
Zu einem Thriller auf der Zielgeraden wurde das Finale der 470er: Punktgleich waren die führenden Schweden, die Geschwister Hedvig und Hugo Liljegren, und die Ukrainer Yehor Samarin/Yelyzaveta Vasylenko in das Medal Race gegangen. Erstaunlicherweise gingen sich die Kontrahenten auf dem Kurs aus dem Weg. Damit war der Kampf um Platz eins ein Fernduell, bei dem die Führung ständig wechselte. Erst an der letzten Bahnmarke trafen Schweden und Ukraine aufeinander – mit der vermeintlich besseren Position für die Schweden, die knapp vor den Verfolgern auf den letzten Schlag ins Ziel gingen. Doch die Ukrainer setzten das bessere Manöver, überliefen die Schweden und holten sich das Gold, während die schwedischen Geschwister in der Gesamtwertung sogar noch auf Rang drei hinter die Polen Zofia Korsak/Mikolaj Bazyli zurückfielen.
Die Ukrainer konnten ihr Glück kaum fassen: „Das war unser erstes Medal Race. Und dann auch noch zu gewinnen, ist schon sehr speziell. Ich kann meine Emotionen gar nicht beschreiben. Wir sind superglücklich. Es war sehr interessant hier mit den vielen verschiedenen Nationen“, sagte Yehor Samarin, der erst seit dieser Saison mit der 17-jährigen Yelyzaveta Vasylenko an der Vorschot segelt. Sie freute sich über die entspannten Tage zur Kieler Woche: „Zuhause segeln wir auf einem Fluss und haben derzeit keine Chance, auf einem offenen Seerevier zu trainieren. Die Ostsee ist wahrlich das beste Meer. Die Kieler Woche war unglaublich, die Regatta einfach Weltklasse.“