Nachwuchs-Ingenieure aus Kiel setzen auf Flachs
„Future of the maritime industry“, so lautet der Slogan der Kieler Schiffbaustudierenden rund um das Projekt Förderacer. Die jungen Studierenden und angehenden Schiffbau-Ingenieure von der FH Kiel stellen eine neue Generation von Ingenieuren, Designern und Konstrukteuren unterschiedlicher Bereiche dar. Neue Denkweisen, innovative Ideen, aber auch die Verbindung von Bewährtem mit Neuem sind hierbei die Devise. Aber was genau machen die Studierenden der Fachhochschule Kiel im Projekt Förderacer bzw. worum geht es in der Tiefe?
Förderacer ist ein interdisziplinäres Studierendenteam und stellt einen der sogenannten Rennställe der Fachhochschule Kiel dar. Rennstall beschreibt es dabei ganz gut, denn an gleich drei Wettbewerben nehmen die Studierenden jedes Jahr teil. Darunter die International Waterbike Regatta (IWR), die 2025 ihr 45-jähriges Jubiläum feiert, sowie den Harburger Binnenhafen Cup, bei denen die Studierenden mit zwei High-Performance Tretbooten antreten. Die Tretboote haben die Studierenden selbst entwickelt und gebaut. Dabei haben sie unterschiedliche Konzepte verfolgt. Zwar sind beide Boote Katamarane, jedoch ist Förderacer 1.0 mit einfacherer Technik ausgestattet als Ikarus.
Förderacer 1.0 wird mithilfe einer Kette, die auf eine Welle mit Propeller geht, angetrieben, wohingegen Ikarus einen aufwendigen Z-Drive besitzt, der sogar die Möglichkeit vorsieht, das Boot mit Foils ausstatten zu können. Seit 2019 geht Förderacer allerdings auch neue Wege: Nachhaltigeres Performance-Segeln ist hier das Credo.
Für den 1001VelaCup in Italien bauen die angehenden Ingenieure ein Segelskiff aus mindestens 75% nachwachsenden, recyclebaren und nachhaltigen Materialien. Für den Bau des selbstentwickelten Bootes haben sich die Studierenden für einen Sandwichbau aus Flachsfasern mit einem biobasierten Epoxidharz und Balsaholz als Kernmaterial entschieden, wohingegen beim Rigg aus Bewährtem etwas Neues gemacht wurde. Ein alter Mast vom 49er (Aluminium-Composite-Mast) wurde recycelt und bekommt neue, speziell auf das Boot angepasste Segel. Das Boot soll segelfertig ca. 100 kg auf die Waage bringen, wobei die Studierenden selbst sagen: „Wir sind keine Handwerker, sondern angehende Ingenieure, insofern könnten professionelle Bootsbauer das Boot nochmals deutlich leichter bauen.“
Hierbei geht es eher um den Schritt gen Zukunft, den berühmten Stein, der erst einmal ins Rollen gebracht werden muss. Denn ohne Projekte mit wissenschaftlichem Hintergrund ist auch kein wirklicher Fortschritt möglich. Auch wenn sich Flachs womöglich nicht im High-Performance-Bereich durchsetzen wird, so sehen die Studierenden aus Kiel in Flachs eine nahezu perfekte Alternative zu GFK für den Serienbau von Yachten, denn jedes Composite-Boot ist am Ende seines Lebenszyklus Sondermüll und muss aufwendig entsorgt werden. Die Aufgabe ist also, die Boote in Zukunft zu recyclen – das Harz wieder zu verflüssigen und aufzubereiten, die Fasern teils auch wieder aufzuarbeiten oder als Füllmaterial für Spachtel verwenden. Das ist keine Zukunftsmusik mehr, denn derartige Harze existieren bereits. Für die Zukunft gilt es, diese Materialien für die breite Masse zugänglich zu machen, ansprechend zu gestalten und weiterzuentwickeln.
Mit der „Vela“, wie das Projekt aktuell noch genannt wird, erhoffen sich die Studierenden ein starkes Debüt beim 1001VelaCup 2024 (25. bis 29. September in Triest) sowohl auf dem Wasser als auch beim Innovationswettbewerb. Hierfür haben die Studierenden nicht nur ein neuartiges Design entwickelt, sondern auch ein paar ingenieurwissenschaftliche Besonderheiten. So haben die Studierenden in ihrem Segelboot Mess-Elektronik verbaut, die sie selbst entwickelt und hergestellt haben. Hierfür sind mehrere Dehnungsmessstreifen an Schlüsselstellen im Boot verbaut worden. Mithilfe eines ESP32 Mini-Computers und einer Echtzeituhr können so Materialdaten unter Realbedingen ermittelt werden und an Umweltbedingungen wie Windstärke, Wellenhöhe, Temperatur etc. gekoppelt werden, zusätzlich zu den unter idealisierten Laborbedingungen erhobenen Materialwerten.
Der Beitrag wird mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift bootswirtschaft (3/24) vom DBSV veröffentlicht.
Mehr Informationen über Förderacer, die Studierenden und ihre drei außergewöhnlichen Boote erfahren Sie auf der Website des Teams: www.Foerderacer.com