SKWB-Hochseeseglerabend: Segeln im Wandel der Zeit
Von den historischen 12ern über die aktuellen Hochseeseglerpreise 2023 bis zur foilenden Zukunft mit der „Malizia“ bei zeitgleichem Forschen über die Veränderung der Wasserqualität der Ozeane reichte der Spannungsbogen beim 86. Hocheeseglerabend im Rathaus zu Bremen. Mit dieser Themenvielfalt ist es der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) um ihren Vorsitzenden Michael Rapp einmal mehr gelungen, ein imponierendes Programm zu präsentierten. Moderiert wurde die Traditionsveranstaltung routiniert und humorvoll von Rapp sowie dem Vorsitzenden des Preisausschusses, Jan Helms, und dem Vorsitzenden des Patenringes und Sportwart Alexander Beilken.
Die Liste der Ehrengäste war gewohnt lang und hochkarätig, unter ihnen Henning Scherff (SPD), von 1995 bis 2005 Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen, DSV-Präsidentin Mona Küppers, der DSV-Vizepräsident Fahrtensegeln, Clemens Fackeldey, DSV-Generalsekretär Germar Brockmeyer, Eckart Reincke KYC/ Offshore-Chef der Kieler Woche, erfahrener Wettfahrtleiter und Obmann des DSV Ausschuss Seeregatten, der langjährige SKWB-Vorsitzende Jochen Orgelmann (1988 bis 2017), FSB-Vorsitzender Nils Kollert, TO-Vorsitzender Marcus Warnke, KYC-Vorsitzender Hauke Berndt, Segellegende Behrend Beilken, der begeisterte Starboot-Segler Stefan Lehnert sowie der erfolgreiche Offshore-Segler und langjährige Obmann des DSV-Ausschusses Seeregatten, Wolfgang Schäfer (KYC), der direkt aus den USA von seiner „Struntje light“ und der San Diego-Masters-Regatta angereist war.
Unter den Stammgästen waren treue Partner wie Martina Georgus (Firma Daniel Georgus) und Nils Schürg (Blue Sailing), denen Rapp für die umfangreiche Unterstützung beim neuen Clubschiff „Schlüssel von Bremen“ dankte, einer 14,40 Meter langen RM (der Sportschipper berichtete). Auch der Hamburger Messespezialisten Heiko Zimmermann (ancora Yachtfestival in Neustadt/Holstein und Hamburger Yachtfestival in Wedel) sowie der gebürtige Bremer und Wahlkieler, Yachtausrüster Peter Kohlhoff (KYC/Kohlhoff GmbH), waren unter den Gästen.
Zum Motto des Abends „Segeln im Wandel der Zeit “ stieg Jost Körte vom Segelclub Rheingau mit dem Thema 12er zunächst in die Vergangenheit ein. Er zeichnete die Geschichte der 1938 gebauten „Anita“ der Seglervereinigung Rheingau nach, die dort im laufenden Betrieb verchartert wird und bis zum heutigen Tag ein Paradebeispiel für die zeitlose Schönheit der 12er ist.
Im Mittelpunkt der Gegenwart des Themas stand die diesjährige Vergabe der begehrten Preise, von denen auch einige nach Schleswig-Holstein gingen. Den Auftakt machte der Offshore-Preis der Regatta Vereinigung Seesegeln (RVS) für die punktbeste Yacht über alle Klassen der Offshore-Rangliste der RVS, den Jürgen Klinghardt, Vizepräsident und Schatzmeister der RVS, an die „Stardust“ vom Kieler Yacht-Club unter ihrem Eigner und Steuermann Alf Henryk Wulf übergab.
Den „Tanja Pokal“ gewann die Crew des „Peter von Danzig“ (ASV Kiel). Skipper an Bord war Sören Zopf. Die Yacht war bereits im Vorjahr in die Karibik überführt worden und dort in warmen Gefilden unterwegs. Zwischen St. Maarten und Havanna wurden bereits ab Ende April während einer einmonatigen Reise 1859 sm zurückgelegt. Auch in diesem Revier bedarf es guter Vorbereitung und seemännischer Umsetzung.
Der „Tanja-Pokal“ (auch „Magnus Müller-Gedächtnis-Preis“ genannt) wurde 1951 von Ernst Burmester (Inhaber der damaligen Burmester-Werft an der Lesum) und Freunden in Erinnerung an seinen im selben Jahr tödlich verunglückten Schwiegersohn Magnus Müller als Wanderpreis für seglerisch und seemännisch hervorragende Leistungen gestiftet. Seine Ausschreibung ist bewusst allgemein gehalten und nicht auf einen bestimmten Typ Reise zugeschnitten. „Tanja“ war der Name der von Magnus Müller gesegelten Yacht.
Der nördliche Antillenbogen und die Insel Kuba waren das Fahrtgebiet des „Peter von Danzig“ (Akademischer Segel-Verein in Kiel) unter der Führung von Sören Zopf im März und April 2023. Die 1.859 Seemeilen lange Reise zeichnet sich durch zwei unterschiedliche Fahrtgebiete aus. Einerseits eine Fahrt über offenes Meer und dann eine Fahrt entlang der Küste von Kuba. Die Reise wurde gründlich vorbereitet. Klare Rollenverteilungen inkl. einer Notfallrolle. Navigatorisch sind die Ansteuerungen und das küstennahe Navigieren in Gewässern mit keiner oder wenigen Navigationshilfen, die nicht immer gut gewartet bzw. überhaupt in Betrieb waren, bemerkenswert. Ein umsichtiges Handeln und Entscheiden stellten eine gelungene Reise sicher. Die Herausforderungen und Probleme mit einer blockierten Ruderanlage wurden mit Können und Bordmitteln gemeistert und behoben. Dass im Rahmen der Reise Wissen über Seemannschaft und Kameradschaft vermittelt wurde, rundet die Gründe für die Vergabe des Tanja Pokals für die Reise ab.
Die Fakten im Überblick: 26. März – 25. April 2023: „Peter von Danzig“, ASV Kiel
Sint Maarten – Anguilla – French Cay – Providenciales – Hogsty Reef – Santiago de Cuba – Cayos Cuerva – Cayo Alcatracito – Cayo Breton – Cienfuegos – Puerto St. Frances – Cabo San Antonio – Havana – 1.859 sm, Skipper: Sören Zopf, Wachführer: Jan-Eike Rossius, Ivo Heinecke, bis Santiago de Cuba: Henrik Herrmann (Bordarzt), ab Santiago de Cuba: Owe Jessen, Crew: Malou Schümann, Jule Asmus, Lennart Petersen, Heyka Jakobs, Hanna Rückert, bis Santiago de Cuba: Svenja Andreas, Frida Radbruch, Claas Oberbeck, ab Santiago de Cuba: Helene Pfuhl, Moritz Garrelts (Bordarzt), Benedikt Fiedler
Der „Silberne Globus“ ging in diesem Jahr an ein Großprojekt der „Amazone“. Mit der Hanseat 70, die in den Vorjahren umfangreich restauriert worden war, segelte Eigner Bernd Franken samt Crew im Frühjahr von Lanzarote via Sao Miguel, Ponto Delgada, Cherbourg durch den Englischen Kanal und Belgien nach Bruinisse in den Niederlanden. Insgesamt ließ die kleine Crew dabei 2559 Seemeilen im Kielwasser – dank guter Vorbereitung ohne nennenswerte Komplikationen.
Den Schlusspunkt der Zeitreise „Segeln im Wandel der Zeit “ setzte Kerstin Hainke vom Team „Malizia“ um Skipper Boris Herrmann mit ihrem Vortrag. Vor den beeindruckenden Bildern der foilenden Rakete erinnerte die Hamburgerin aber auch daran, dass es sich bei dem ehrgeizigen Projekt immer auch um ein Rennen handele, das man nur gemeinsam gewinnen könne: Es gelte, den Klimawandel zu stoppen und die Ozeane zu schützen.
Im Anschluss ging es vom Vortragsraum in die festliche „Obere Halle“ des Rathauses zum traditionellen Grünkohlessen mit Becks Bier und Hullmanns Korn von den SKWB-Sponsoren. Und auch in diesem Rahmen zeigte sich der Wandel der Zeit: Die Gästeschar war deutlich weiblicher und jünger als in den Vorjahren.
Die Vergabe der Ansgarkette an den SKWB-Nachwuchs nach dem gewonnen Wettstreit mit dem HVS-Nachwuchs und der Vergabe des „Schlüsselpreises“ an die TP52 „Red Bandit“ von Carl-Peter Forster mit seiner jugendlicher Crew, übergeben von Michael Rapp waren die Höhepunkte der Ehrung zwischen den Gängen.
Stehende Ovationen gab es zum Abschluss für die Gastrede von Joachim Brünner, stellvertretender Vorsitzender Hamburgischer Verein Seefahrt, der zunächst mit seinen Eingangsworten, er halte immer zu lange Reden und habe keinen Humor, Schlimmes befürchten ließ. Doch es kam ganz anders: Die rund 250 Gäste hingen an seinen Lippen und wechselten ständig zwischen Lachen und Applaudieren – nicht zuletzt, weil er ganz auf die Dauerbrenner im verbalen Bremer-Hamburger-Wettstreit verzichtete: Fußball, Autobahn und Schlüssel zur Welt.
„Ich bin natürlich demütig mit Blick auf die Niederlage beim Kampf um die Ansgarkette und zugleich beeindruckt über die Zurückhaltung der Bremer bei der Verkündung des Erfolges“, konstatierte Brünner, nachdem SKWB-Vorsitzender Rapp zuvor die „Rückeroberung“ der Auszeichnung wortgewandt hervorgehoben und den Saal zum Jubeln gebracht hatte. Anschließend ging der Hamburger auf den Wandel der Zeit ein sowie die neue Sprache der Jugend (z.B. „Kiwidrop“ für das Bergen der Vorsegel). „Vermutlich gehört es zum Wandel, dass die Alten von den Jungen lernen, nicht mehr umgekehrt“, erklärte Brünner, der mit einem Dank an die SKWB schloss: „Wir müssen dankbar sein, dass die SKWB dem Segelsport seit 86 Jahren einen solchen Rahmen bietet.“ Die Anwesenden (größtenteils Bremer) zollten dem Hamburger mit stehenden Ovationen große Anerkennung für seine mitreißende und kluge Rede.
Die abschließende Sammlung für die DGzRS brachte 5015 Euro und 5 kubanische Peso (vermutlich vom Törn eines Crewmitgliedes der „Peter von Danzig“/Rückkehr aus der Karibik im Juli 23) ein. (hel)