WM-Triumphe der Titelverteidiger
Die Erfolgsyachten des vergangenen Jahres sind auch die Seesegel-Weltmeister von 2023: Nach sechs Regattatagen mit wechselhaften Bedingungen von Sturm bis zu flauer Brise, mit insgesamt neun bzw. zehn Rennen für die drei Klassen und Kurslängen zwischen 3,4 und 102 Seemeilen Länge haben die Yachten die Titel der ORC Worlds 2023 vor Kiel abgeräumt, die auch schon 2022 in Porto Cervo/Sardinien an der Spitze standen. Die „Beau Geste“ von Karl Kwok (Hongkong) segelte in der Klasse A in einer eigenen Liga. Die „Windwhisper 44“, die in den vergangenen beiden Jahren als „Essentia“ unter rumänischer Flagge siegte, führte nun Marcin Sutkowski (Polen) zum Titel in der Klasse B. Und in der Klasse C fand die „Sugar 3“ von Ott Kikkas (Estland) nach mäßigem Start mit der schwächer werdenden Brise in die Spur, holte mit sieben Siegen in Folge noch WM-Gold.
Der Finaltag der ORC Worlds 2023 brachte vor dem ersten Start des Tages eine Menge Extraspannung ins Geschehen. Nach den Protestverhandlungen und Nachvermessungen am Vortag hatten sich Verschiebungen im Ranking ergeben, die die Titelrennen frisch durchmischten. Gleich in zwei Klassen waren die bis dato Führenden von der Spitze gepurzelt: Die polnische „Windwhisper 44“ (Marcin Sutkowski) kassierte nach einer Wegerechtsverletzung im Start zum siebten Rennen eine Disqualifikation und rutschte zwischenzeitlich auf Rang drei der Klasse B ab. In der Klasse C traf es die „Matilda 4“ von Juss Ojala (Estland). Bei der Nachvermessung nach der Langstrecke hatten sich Unterschiede zum bestehenden Messbrief ergeben. Da dem Eigner des Bootes aber kein schuldhaftes Verhalten zugeschrieben wurde, gab es keine Bestrafung, sondern lediglich eine Nachberechnung sämtlicher Ergebnisse aufgrund der neuen Datenlage. Damit rutschte die „Matilda 4“ am Morgen um einige Punkte nach unten und hinter die schwedische „TeamPro4u“ (Patrik Forsgren) zurück.
Unumstritten war das Geschehen in Klasse A, der großen und schnellen Yachten. Die „Beau Geste“ von Karl Kwok (Hongkong) hatte vom ersten Tag dominiert und dabei die Serie von Rennsiegen lediglich auf der Langstrecke nicht durchhalten können. Der Gewinn des WM-Titels war für die Crew auf der weißen TP52 daher nur noch eine Formsache am Schlusstag. Bereits nach der ersten Wettfahrt des Tages hätte die Mannschaft um Steuermann Gavin Brady (Neuseeland) über das dritte WM-Gold nach 2018 und 2022 jubeln können, war im Gesamtranking mit einem weiteren Sieg uneinholbar. Doch die neuen Weltmeister blieben auf dem Kurs und beendeten auch das zweite Tagesrennen – natürlich mit einem weiteren Sieg. „Das war keine einfache Woche“, sagte Taktiker Gavin Brady (Neuseeland). „Die Konkurrenz war hart und wir mussten alles geben. Wir haben die Vielfalt der Bedingungen und Kurse dieser Veranstaltung und alles, was Kiel zu bieten hat, sehr genossen.“
Dem silbernen Glanz ihres Rumpfes machte die „Outsider“ von Tilmar Hansen (Kiel) alle Ehre. Nach den beiden Vize-WM-Titeln von 2018 und 2021 gewann die Mannschaft um Steuermann Bo Teichmann zum dritten Mal WM-Silber. Rot war hingegen die Farbe auf Rang drei: Die „Red Bandit“ von Carl-Peter Forster verteidigte sicher den verbliebenen Podiumsplatz.
Einen deutschen Doppelerfolg in der Klasse A gab es in den Zusatzwertungen: Bei ihrem letzten Auftritt als gemeinsame Crew holte die „Tutima“ den WM-Titel in der Corinthian Devision der Amateurcrews. Als einzige weibliche Crew in dieser Klasse konnte sich die Mannschaft von Kirsten Harmstorf-Schönwitz (Hamburg) zudem als Siegerin der Frauen-Wertung feiern lassen. Es war der perfekte Abschluss einer elfjährigen Karriere. Eigentlich hatte die „Tutima“ schon vor zwei Jahren ihren Abschied aus der ORC-Szene gefeiert, für diese WM aber ein kurzes Comeback eingelegt, bevor die Yacht verkauft wird.
Ein Wechselspiel um die Spitzenposition gab es in der Klasse B. Nachdem die Protestverhandlung gegen die „Windwhisper 44“ die dänische „Sirena“ (Peter Buhl) noch mal ins Spiel um den WM-Titel katapultiert hatte, drehte die neue Führende im ersten Tagesrennen zunächst auf. Während sich die „Windwhisper 44“ im Poker um die richtige Seite der Startlinie verspekulierte, arbeitete sich die „Sirena“ aus der Mitte an die Spitze des Feldes. Die Polen versackten im Verkehr auf dem Kurs, die Dänen gingen in Führung. Doch der löchrige Wind hielt noch einige Überraschungen im Rennverlauf parat: Die „Sirena“ parkte auf der zweiten Kreuz ein, die „Windwhisper“ nutzte die Chance, fuhr berechnet auf Platz zwei und hatte damit alle Trumpfkarten für das Finale in der Hand. Mit einem weiteren zweiten Platz zum Abschluss ließ das internationale Team unter polnischer Flagge dann keinen Zweifel am WM-Sieg, feierte noch auf dem Wasser im triefenden Regen mit einer Sektdusche. „Wir sind super glücklich jetzt. Ich konnte gar nicht schlafen heute Nacht, so nervös war ich. Peter (Buhl, Skipper der zweitplatzierten „Sirena“ d. Red.) ist ein unglaublich starker Segler und hat uns alles abverlangt. Der Wind war heute nicht gut für uns, denn wir haben das schwerste Boot der Flotte. Wir haben einfach versucht, keine Risiken einzugehen bei diesen tricky Bedingungen. Und im zweiten Rennen haben wir dann die Situation kontrolliert“, berichtete „Windwhisper“-Eigner Marcin Sutkowski, bevor er von seiner Mannschaft geschnappt und ins Wasser geworfen wurde.
Auf Rang zwei im Gesamt-Klassement der Klasse B landete die „Sirena“, den Bronzerang sicherte sich die „Katariina II“ von Aivar Tuulberg (Estland). Mit einem Wettfahrt-Sieg schloss die „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin) die WM ab, doch es reichte nicht mehr, um auf einem Podiumsplatz zu springen. Als Vierte war die Kuphal-Mannschaft das beste deutsche Team in der Gesamtwertung. In der Corinthian-Wertung gab es zwei deutsche Medaillen. Hinter der estischen „Olympic“ (Tiit Vihul) kam die „Stardust von Alf Wulf (Eisenberg) auf Rang zwei der Amateurwertung vor der „Intoxicated“ von Thoralf Wigger (Rostock).
Hochspannung bis zum Schluss wurde auch in der Klasse C geboten. Die „Sugar 3“-Crew (Estland) um Skipper Sandro Montefusco, über Nacht durch die Neuberechnung der „Matilda 4“ näher an die Spitze herangerückt, setzte die Aufholjagd, die sie nach den Coastal Races mit fünf Siegen in Folge begonnen hatte, in eine Triumphfahrt um. In der leichten und pendelnden Brise fand die Titelverteidigerin in beiden Wettfahrten des Abschlusstages den richtigen Weg durch die Winddreher: „Es gibt eigentlich keine Geheimnisse für den Erfolg. Wir sind gut gestartet, hatten die richtigen Ansagen für die Winddreher. Und wenn wir erst einmal in Führung lagen, haben wir es gut verteidigt“, so Sandro Montefusco. „In der ersten Wettfahrt hat sich die ‚Matilda 4‘ am Start einen Kampf mit der ‚TeamPro4u‘ geliefert und wir konnten frei segeln. In der zweiten Wettfahrt haben sie es bei uns versucht, aber wir kamen trotzdem gut weg am Start und waren dann einfach schneller als die ‚Matilda‘.“ Damit gewann die estisch-italienische Mannschaft das WM-Gold vor der „Matilda 4“ (Juss Ojala, Estland) und der litauischen „Arabella“ (Raimondas Siugzdinis).
Die „TeamPro4u“ erwischte einen rabenschwarzen Tag und fiel von der Führungsposition auf Platz vier zurück. Beste deutsche Mannschaft im Gesamtklassement wurde die „Aquaplay“ von Max Habeck (Lesum) auf Platz sechs. In der Corinthian-Division stand schließlich die „Arabella“ vor der „TeamPro4u“ und der „Keturi Vejai“ (Karolis Janulionis, Litauen) an der Spitze.